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Eine Kriegsgöttin in Nöten

Ein Krieger verändert das Leben der Kriegsgöttin Enyo. Seine Augen erinnern an ihre Heimat, der Duft an ihre Kindheit.
So lernen sich Enyo und Warg kennen. Ein Special zu »Dunkelheit und Silberglanz«.

Mühsam kämpfte Enyo sich aus der Bewusstlosigkeit empor.

Ihr Gegner krümmte sich auf dem Boden und umklammerte seinen Kopf.

Stammte die Verletzung aus ihrem Kampf? Die Erinnerungen kehrten bruchstückhaft zurück.

Warg hatte sie gebissen.

Und sie ihn.

Ihr Blut mischte sich und was ihn peinigte, quälte auch sie. In ihrem Leib brannte ein unbekannter Schmerz. Um sich davon zu befreien, kroch sie zu dem Krieger und legte die Hände auf seine Schläfen.

Die Berührung beruhigte ihn. »Mutter?« Blicklos starrte er sie an.

Diese Augen! Grün wie die Pinien ihrer Heimat.

»Wir müssen die Äpfel pflücken, sie sind reif«, murmelte er und presste witternd die Nase gegen sie.

Das war gänzlich unangemessen! Sie war die Kriegsgöttin. Niemand schnüffelte wie ein Köter an ihr!

Beim Anblick des schmerzverzerrten Gesichts setzte ihr Herz aus. Der flatternde Puls unter ihren Fingerspitzen versetzte sie in Panik. »Stirb nicht!«, befahl sie.

»Wieso riechst du so wundervoll nach Äpfeln? Was machst du mit mir?«

»Nichts! Und du?«

»Es tut mir leid.« Er deutete auf die Bisswunde an ihrem Hals. »Damit habe ich den Fluch an dich weitergegeben.«

»Welchen Fluch?«

»Du wirst dich in einen Mannwolf verwandeln.«

»Was du nicht sagst. Ich bin eine Frau.«

Er blinzelte. »Und du bist wunderschön.«

Sollte das ein Kompliment sein? »Ich bin Enyo, die Göttin des blutigen Nahkampfes.« Mit einem tiefen Atemzug inhalierte sie Wargs Duft. Wald, Freiheit und nasses Hundefell. Er roch wie ein Wolf.

Instinktiv zog sie ihn heran und verbrannte sich an seiner Glut. Voller Furcht wollte sie ihn wegstoßen und hielt ihn umso fester, kämpfte gegen die Gefühle und vermochte nicht, sich von ihrem süßen Einfluss zu befreien.

»Ich habe noch niemals geliebt«, gab sie zu. »Das tut weh und ist gleichzeitig köstlich.«

»Liebe? Niemand liebt mich. Ich bin ein Ungeheuer.«

»Dein Geruch erinnert mich an zu Hause, an die Höhle, in der ich aufwuchs, an meine Wurfgeschwister, an einen Wolf.«

»Ich bin ein Monster«, flüsterte er mit belegter Stimme.

»Das ist mir egal.«



© 2023 Sabine Reifenstahl

(Die Geschichte ist genau 2000 Zeichen lang.)

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